Der Triebischsteg - eine tickende Zeitbombe?

Spätestens seit 2013 besteht am Meißner Triebischsteg akuter Handlungsbedarf. Das Bauwerk befindet sich in desolatem Zustand. Nach dem endlich vorliegenden Fördermittelbescheid kann der Bau beginnen – doch die Kosten sind explodiert. Keine Seltenheit, so Stadtrat Martin Bahrmann (FDP).   

„Wir haben es uns mit dieser Entscheidung nicht leicht gemacht“, so Martin Bahrmann, der Fraktionsvorsitzende der Fraktion ULM/FDP/Freie Bürger/CDU des Meißner Stadtrates. Kein Wunder, schließlich geht es um wahnsinnig große Geldsummen, über die man hier spreche. 

Um genau zu sein, über eine Million Euro. So viel soll der Neubau des etwa 100 Meter langen Gehweges entlang des Triebischlaufes zwischen dem Hahnemannsplatz und der Martinstraße kosten. Obwohl die Planungen der Stadtverwaltung mit zuletzt knapp 900.000,00 Euro deutlich niedrigere Baukosten erwartet hatten. Dennoch sprechen sich die Stadträte Martin Bahrmann und Uwe Köhler für den schnellen Neubau nach den vorliegenden Plänen aus.

Doch sind ein Abriss und Neubau überhaupt notwendig? Wäre eine Sanierung im Bestand nicht sinnvoller und kostenschonender? „Das sind berechtigte Fragen, die wir ja von anderen Stadträten, aber zum Teil auch aus der Bürgerschaft bekommen“, so Bahrmann, „aber wenn man genauer hinsieht, braucht man kein Gutachten, um zu erkennen, dass der Steg derzeit eine tickende Zeitbombe ist.“ 

„Um uns Stadträten wichtige Informationen zu beschaffen, die für eine Entscheidung über derartige Maßnahmen notwendig sind, haben wir uns für eine Begehung des Triebisch-Betts entschieden.“, so Martin Bahrmann.

Diese Begehung fand am 10.10.2019 statt und wurde vom Meißner FDP-Mitglied Johannes Schmidt-Ramos durchgeführt. Er nahm das Bauwerk auf der gesamten Länge sowohl vom Gehweg als auch aus dem Flussbett heraus in Augenschein. Die dabei gemachten Entdeckungen lösten Entsetzen aus. „Ich bin kein Baustatiker, aber wir reden hier von tragenden Bauteilen, bei welchen die Bewehrung des Stahlbetons so stark korrodiert ist, dass der Beton abplatzt. Da ist es mit einem neuen Anstrich schlicht nicht getan“, so der 28-jährige. „Von den knapp 50 Stahlbetonträgern, auf welchen der Steg aufliegt, befinden sich nur fünf in gutem Zustand und weisen keine Risse mit mehr als 2mm Spaltmaß auf. Das sind gerade einmal 10%. Die übrigen Stützen befinden sich in zum Teil derart schlechtem Zustand, dass es mich stark verwundert, dass der Gehweg noch verkehrssicher sein soll. Da hatte ich beim darunter stehen stellenweise Angst, dass mir beim nächsten Fußgänger etwas auf den Kopf fällt!“, erklärt Schmidt-Ramos. 

„Nachdem uns die Bilder vorliegen, besteht absolut kein Zweifel daran, dass der Neubau kommen muss. Eigentlich schon vorgestern.“, so Martin Bahrmann, „Wenn ich daran denke, dass die Stadt für die Verkehrssicherung in dem Bereich verantwortlich ist, gleichzeitig aber den Anwohnern und Anliegern des Steges eine Zuwegung ermöglichen muss, wird mir ganz anders.“

„Wir können es uns nicht leisten, den kompletten mehrjährigen Planungsprozess jetzt noch einmal bei Null zu beginnen, nur um eine schicke Balustrade zu planen, deren finale Umsetzung noch in den Sternen steht. Wir müssen dringend handeln, denn der Zustand des Steges hat sich allein in den vergangenen Jahren seit 2015 massiv verschlechtert“, so Johannes Schmidt-Ramos

„Es gab zwei Sonderprüfungen eines Sachverständigenbüros. Die erste Prüfung aus dem Jahr 2013 ergab eine Zustandsnote von 3,3. Anfang 2019 fand eine erneute Prüfung statt und attestierte eine Zustandsnote 3,5. Diese ist verbunden mit der dringenden Handlungsempfehlung des Sachverständigen, einen Ersatzneubau vorzunehmen. Im Klartext heißt das: Wenn wir nicht schnellstens handeln, ist davon auszugehen, dass der Steg aus Sicherheitsgründen für Fußgänger gesperrt werden muss. Ich weiß nicht, wie wir das den Anliegern erklären wollen, die plötzlich nicht mehr in ihre Häuser kommen.“, erklärt Martin Bahrmann weiter.

Unterdessen tobt eine rege Debatte zu den Kosten des projektierten Neubaus. Zwei Mal hatte die Stadt die Bauleistung bundesweit öffentlich ausgeschrieben. Beide Male wurden jeweils zwei Angebote abgegeben. In beiden Ausschreibungen waren die Kosten von der Planung weit abgewichen. Zuletzt lag das beste vorliegende Angebot knapp 49% über der Kostenkalkulation der Verwaltung. Man hatte sich mit der zweiten Ausschreibung und verlängerten Baufristen erhofft, günstigere Angebote zu erzielen. Ohne Erfolg.

Doch woran liegt das? Martin Bahrmann erklärt, dass es in den Vergangenen Jahren immer wieder Kostensteigerungen gegeben habe. Daran seien gestiegene Löhne und Materialpreise genauso schuld, wie die sinkende Konkurrenz. Es ist Hochkonjunktur im Baugewerbe und die Betriebe sind auf niedrige Kampfpreise nicht mehr angewiesen. Ohnehin ist vielerorts das Auftragsvolumen kaum noch zu bewältigen. Deshalb gehen bei öffentlichen Aufträgen weniger Angebote ein als früher. 

Ein zweiter Faktor – und schließlich ausschlaggebend für die hitzige Debatte zu einer überplanmäßigen Ausgabe – sind die langen Zeiträume zwischen Projektplanung, Fördermittelbeantragung und Auftragsvergabe. Wenn zwischen einem Antrag und der Bewilligung der Gelder zum Teil Jahre liegen, lassen sich die Kosten im Voraus kaum abschätzen. Erschwert werden die Verhältnisse von komplizierten Vergabeverfahren, welche manches Bauunternehmen von vornherein abschrecken und eine größere Palette von Submissionen zu öffentlichen Ausschreibungen verhindern. Die Probleme hier liegen jedoch tiefer: in den Vergaberichtlinien des Freistaates Sachsen.

Auch beim Sächsischen Städte- und Gemeindetag (SSG) ist die Problematik bekannt. Dessen stellvertretender Geschäftsführer Ralf Leimkühler hatte bereits in einem Artikel der Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 07.08.2019 erklärt, dass viele Städte und Gemeinden sich über rückläufige Beteiligung an Ausschreibungsverfahren beklagen und Ausschreibungen zum Teil aufgehoben werden müssen, da sich kein geeignetes Angebot finde.

Da eine Aussicht auf Besserung der Situation nicht besteht, ist aus Sicht der Freien Demokraten (FDP) ein Zügiges Handeln geboten. „Die Preise werden weiter steigen“, so Johannes Schmidt-Ramos. 
„Dabei sind wir aktuell in der günstigen Position, dass das Bauprojekt sich zu fast 100% aus Geldern des sächsischen Hochwasserschutzfonds finanziert werden kann. Uns als Stadt treffen damit fast keine Kosten und wir können unsere eigenen Mittel besser in andere Projekte, beispielsweise den Schulausbau, investieren.“, ergänzt Stadtrat Martin Bahrmann.

„Wir können natürlich weitere sechs Jahre mit Planen und Warten verbringen und hoffen, dass in der Zeit kein Unfall passiert. Denn sollte es dazu kommen, hieße es wieder ‚Warum habt Ihr nichts unternommen?‘“, so Johannes Schmidt-Ramos.

Martin Bahrmann fügt hinzu: „Wenn wir nicht jetzt handeln, sondern alles über den Haufen werfen, werden die Kosten weiter steigen. Das Bauen wird nicht günstiger und die Planung hat allein bis jetzt schon mehrere zehntausend Euro gekostet. Mit der Fraktion ULM/FDP/Freie Bürger/CDU haben wir außerdem angeregt, die Aufenthaltsqualität auf dem Steg zu verbessern. Das wird im nächsten Bauausschuss mit auf der Tagesordnung stehen.“